Vanessa Licht

Rasende Reporterin

Psychische Belastung des Lockdowns: „Man fühlt sich kriminell, weil man Familie und Freunde sehen will“

Von einem Lockdown in den nächsten. Geschäfte geschlossen, Gastronomie geschlossen, Geschäfte wieder geöffnet, Feiern verboten, Freunde treffen verboten, Freunde treffen nur einzeln erlaubt: Für Gastronomen, Unternehmer und viele weitere eine Katastrophe. Doch auch für die junge Erwachsene, den Nachbarn von nebenan oder gar insgeheim die beste Freundin psychisch eine Tortur. Das Leben ist aktuell nicht das, was es einmal war, doch die psychischen Belastungen für Menschen wie „du und ich“ werden unter den Tisch gekehrt. Öffentlich wird nur politisch diskutiert, was denn am besten ist – doch was das Chaos mit der Seele macht, wird zu wenig besprochen. Die rasende Reporterin spricht mit Menschen, die anonym ehrlich äußern, wie es ihnen geht. Denn keiner von uns ist damit alleine!

FOTO: SYMBOLBILD
Dieses Interview wurde mit Person X geführt. Sie ist weiblich und 31 Jahre alt. X wohnt in Niederösterreich und leidet bereits seit 2017 an Depressionen. 2010 war ihr erster Aufenthalt in der Psychiatrie und 2020 brach letztendlich das Burn Out aus.

(c) Pixabay, Victoria Borodinova

Thema Lockdown: Wenn du dieses Wort hörst, was löst das in dir aus?
Panik, weil man einfach nicht mehr weiß, was als nächstes kommt. Aber trotzdem sammelt man alles an Infos, um nichts zu verpassen. Es könnte ja auch wieder mal ein Lichtblick kommen.

Wie sehr belastet dich die Situation des erneuten Lockdowns psychisch, was sind deine Gefühlszustände?
Man fühlt sich einfach nur noch eingeschlossen und eingesperrt. Man fühlt sich kriminell, weil man Familie und Freunde besuchen oder sehen will. Es ist ein innerlicher, permanenter Druck und ein Gefühl der puren Angst.

Hast du das Gefühl, ausreichend Gehör und vor allem Verständnis von der Gesellschaft zu erhalten?
Nein absolut nicht. Das Wichtigste ist immer die Wirtschaft, aber es geht nie um den einzelnen Menschen selbst.


Als junge Frau stellt man plötzlich alles in Frage. Man verschiebt seine Familienpläne, sogar der Kinderwunsch wird verworfen, weil man möchte kein Lebewesen in diese kranke Welt bringen. Ich kann selber für mich nicht so egoistisch sein und weitermachen wie zuvor – eine Geburt ohne Kindesvater, ein Kleinkind, das nur Menschen mit Masken kennt? Das ist für mich nicht sinnvoll.


Du nimmst Therapie in Anspruch: Gibt diese dir Energie und kann dich in diesen turbulenten Zeiten stützen oder fühlt es sich trotzdem an, als wäre keine Besserung in Sicht?
Es sind Phasen, die besser sind, Momente, die Kraft geben, aber im großen Ganzen hilft es nichts, weil auch die Therapeuten am Ende des Tages nach fast zwei Jahren Pandemie ebenfalls am Ende sind.

Was sind die psychischen Zustände, die dich plagen, und wodurch werden/wurden diese deiner Meinung nach ausgelöst?
Dieses Eingesperrt-Sein, auch wenn es heißt, man darf spazieren gehen, aber was hilft dir das Spazieren oder Wandern, wenn weder Gastro noch öffentliche WC Anlagen offen sind. Man muss ständig überlegen, ob etwas offen hat oder überhaupt noch existiert. Es ist eine permanente Stresssituation. Die Maske ist sowieso schon so wichtig wie Handy, Geldbörse und Schlüssel. Stress = Unsicherheit = Panik und das 24/7.

Fühlst du dich ausreichend informiert, welche Hilfen du in Anspruch nehmen kannst und findest du, dass den psychischen Belastungen in Folge der  Lockdowns ausreichend von der Öffentlichkeit/Regierung Aufmerksamkeit geschenkt wird?
Nein, gibt es leider auch nicht. Caritas und sonstige Einrichtungen sind überfüllt mit Ergotherapien, da Kapazitäten fehlen und das Personal. Da auch viele Therapiemöglichkeiten gestrichen sind, wie zum Beispiel Gruppentherapien, fehlt es hier an Ressourcen.

Wie könnte sich deiner Meinung nach die Situation bessern, was sind deine Anregungen und Wünsche?
Die Situation kann sich nur bessern, wenn es endlich Strukturen geben würde und keine Spaltung der Gesellschaft gefördert wird.


Man hat oder bekommt absolut keine Perspektiven. Ausbildungen werden nur bezahlt und gefördert, wenn es ein Pflegeberuf ist und Freizeitangebote sind bis auf Weiteres abgesagt. Man weiß weder, was das neue Jahr bringt, noch, was nächste Woche passiert – ein ständiges Zittern um die Zukunft!


Hast du bereits eine Reha in Anspruch genommen? Hat dir diese geholfen?
Ja, habe ich bereits zwei Mal seit es Corona gibt. Beim ersten Mal musste ich aufgrund eines Covid-Clusters gesundheitlich abbrechen und Reha Nummer zwei hat auch keine Perspektiven oder Anhaltspunkte gebracht.

Liebe X, danke für deine offenen Worte. Liebe Leser, bitte zögert nicht, euch mitzuteilen, wenn es euch schlecht geht! Ihr seid nicht alleine!

Not- und Krisendienst 0-24 Uhr Rufnummer (01) 31330

Dezember 2021, Vanessa Licht

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