Vanessa Licht

Rasende Reporterin

DJ Golemo: „Wir halten durch“

Die aktuelle Situation zwingt Kunst und Kultur in die Knie. Um der Szene eine Plattform zu geben, bittet die rasende Reporterin Vanessa Licht DJs, Veranstalter, Clubchefs und viele weitere zum Interview unter dem Motto „Wir halten durch“. Heute kommt DJ Golemo zu Wort.

DJ Golemo aus Niederösterreich spielt hauptsächlich für die Musikparkkette in Österreich. und Deutschland. Außerdem produziert er Remixes von Songs großer Musiker und war beispielsweise bei kronehit schon live im Radio zu hören.

(c) Niklas Schnaubelt, Vanessa Licht

Wie frustrierend ist die aktuelle Situation?
Natürlich sehr frustrierend. Es ist für jeden eine massive Umstrukturierung des Lebens. Viele Dinge, die wir früher als selbstverständlich angesehen haben, sind nun verboten. Wir dürfen nicht zum Lieblingswirten, nicht mehr in unsere Lieblingsclubs, unsere Freunde nicht mehr treffen, nicht mehr ins Kino, teilweise sogar die eigene Familie nicht sehen. Die Liste könnte man nun ewig weiterführen. Wichtig ist, sich trotz der aktuellen Situation einen geregelten Tagesablauf zu finden und sich ablenken zu können.

Das Thema lautet „Wir halten durch“ – WIE hältst du durch?
Ich habe für mich den besten Weg gefunden und beim ersten Lockdown einen Weiterbildungskurs für’s Produzieren gemacht. Ich sitze nahezu tagtäglich im Studio, mache neue Musik und versuche, mir neue Dinge anzueignen. Euch allen die Ergebnisse dann im Club präsentieren zu dürfen, motiviert mich sehr – wahrscheinlich ist das der Weg, wie ich die aktuelle Situation durchhalte.

Rechnest du damit, eines Tages wieder aufzulegen oder müssen die Fans bangen, dass du deine Karriere an den Nagel hängst?
Karriere an den Nagel hängen? Natürlich hat man nun viel Freizeit und überlegt sich, ob das ganze Touren noch interessant ist. Durch die Zeit, die man nun zuhause verbringt, merkt man, dass es doch gemütlich sein kann, abends mal gemütlich auf der Couch zu sitzen. So blöd das vielleicht klingt, aber anfangs war ich froh, dass es mal zu einem Stillstand gekommen ist. Man merkt selber nicht, wie sehr man eigentlich schon seit Wochen am Zahnfleisch nagt und nur noch funktioniert. Ich war nahezu jede Woche in ganz Österreich und Deutschland auf Tour. Sowas nimmt einen schon auch gerne mal mit. Nach zwei, drei Wochen zuhause sitzen fehlte es mir aber direkt wieder und ich wusste relativ wenig mit mir anzufangen. Ich persönlich genieße jede Show. Das Feedback von den Gästen, die mit mir feiern, ist gigantisch. Dafür lebe ich, dieses Gefühl werde ich so schnell nicht an Nagel hängen.

Wie hältst du dich über Wasser?
Ich habe in der Vergangenheit sehr viel gearbeitet und bin, was viele nicht wissen, bei einigen Projekten im Hintergrund tätig. Wer in der Vergangenheit relativ clever gewirtschaftet hat und das Glück hatte, sich etwas Geld anzusparen, kann einige Zeit lang auch ohne Einkommen auskommen. Man muss aber auch bedenken, dass alles Ersparte irgendwann mal weg sein wird, wenn keine Einnahmen generiert werden. Ich habe für mich selbst eine Liste erstellt – mit Dingen, die ich wirklich benötige, und Dinge, die einfach nur unnötiger Luxus wären. So habe ich meine monatlichen Kosten optimiert.

Wie lange ist die Situation für dich noch tragbar?
Ich bin ein sehr belastbarer Mensch. Psychisch muss man einfach durchhalten, wir haben ja keine Wahl. Ich denke immer an diesen Tag, wenn alles wieder öffnet. Auf diesen Moment freue ich mich riesig! Für Leute, die das etwas mehr belastet – sucht euch bitte professionelle Hilfe, wenn es euch zu viel wird! Das ist keine Schande. Im Gegenteil – es zeigt von Stärke, sich einzugestehen, dass man Hilfe braucht.

Wie schlimm sieht es finanziell aus?
Natürlich merkt man es massiv, wenn das Haupteinkommen weg fällt. Es ist auch eine gewisse Zeit möglich, von seinen Rücklagen zu leben, aber alles ersparte Geld ist irgendwann weg. Rechnungen gehören weiterhin gezahlt. Viele denken, dass das Auflegen ein reines Hobby ist. Sie wissen aber nicht, dass es für viele der Hauptjob (teilweise auch der einzige!) ist. Ich habe leider die Befürchtung, dass viele Betreiber diese Krise nicht überleben werden und auch hier wieder viele Jobs verloren gehen (Kellner, Security,…). 

Könntest du dir vorstellen, in der jetzigen Situation eine Lösung zu finden, wie du unter Einhaltung aktueller Sicherheitsvorkehrungen auflegen könntest?
Dank der Livestreams gibt es eine kleine Möglichkeit, hier für ein Publikum aufzulegen. Natürlich nur digital und absolut nicht vergleichbar mit einem Club/Festival. Aktuell plane ich mit diversen Veranstaltern meine Shows ab Juni 2021. Hier rede ich mit vielen Menschen in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Viele davon haben sehr gute Denkanstöße – einer zum Beispiel blieb mir immer wieder im Kopf. Man könnte eine Art Teststraße vor den Clubs realisieren. Hier wird nun ausnahmslos jeder, der diesen Club betritt (DJ, Kellner, Betriebsleiter, Gäste,…) per Schnelltest getestet. Jeder, der negativ ist, darf rein. Natürlich ist dies ein sehr oberflächliches Denken und müsste mit einem Konzept durchdacht werden. Aber die Grundidee dahinter fände ich nicht mal so schlecht.

Trittst du bei online Stream-Events auf oder bist schon aufgetreten? Wie empfindest du solche Events?
Ich hatte seit Beginn meines DJ-Daseins mit Onlinestreams zu tun. Ich habe in einem Webradio begonnen und dort meine ersten Erfahrungen sammeln dürfen. Livestreams an sich finde ich eine sehr gute Sache. Man kann mit Menschen in Kontakt treten und gemeinsam feiern, auch wenn diese hunderte Kilometer entfernt sind. Ich hatte bereits sehr erfolgreiche, groß aufgezogene Livestreams. Einen auch mit meinen Freunden Groove Coverage. Hier wurde eine riesige Lagerhalle mit weit über 5000 Quadratmetern gemietet und eine riesige Bühne aufgebaut. Natürlich motiviert diese Art von Livestreams einen Act enorm, wenn er mit Flammenwerfern, CO2 Guns, etc. performen darf. Am Ende dieses Livestreams waren es über 60.000 Zuseher, die uns verfolgt haben – einfach nur WOW! Auf der anderen Seite gibt es auch die „kleineren, normalen“ Livestreams ohne viel Aufwand aus einem Homestudio. Ich habe selbst einen aus meiner Küche veranstaltet. Dieser war selbstverständlich eher etwas „familiärer“ gehalten, aber auch sehr nett, finde ich. Richtig vergleichbar ist dies aber mit einem Club oder Festival leider ganz und gar nicht. Man spielt halt doch nur für eine Kamera und hat (bis auf den Chat) kein Feedback von Leuten. Diese ganze Energie und Verbundenheit, die man beim Feiern hat, fehlt einfach. Leider nimmt das Streaming nun etwas Überhand. Jeden Tag, vor allem am Wochenende, bekomme ich gefühlt hunderte Nachrichten von Kollegen, die ihren Stream gerade starten.

Produzierst du selbst Songs, um in dieser Zeit aktiv zu bleiben?
Ja sehr viel sogar. Auf meinen Socials (Insta, etc.) findet man immer meine aktuellen Tracks. Auf YouTube habe ich ebenso eine Playlist mit allen Remixen von mir erstellt. Für die Spotify User kommt demnächst auch einiges – soviel mal vorab.

Wenn du nächstes Wochenende wieder auflegen dürftest, wo würde man dich finden?
Diese Frage habe ich mir sehr oft gestellt. Ich spiele überall gerne. Mit jedem Club oder jeder Veranstaltung verbindet mich so viel Positives. Ich wurde auch mal nach meinem Lieblingsclub gefragt: Das kann ich einfach nicht beantworten. Jeder Laden hat seinen eigenen Charme. Aber zurück zur Frage – ich werde das ganz unpolitisch machen, denke ich. Sobald man weiß, wann geöffnet wird, darf gebucht werden. Wer zuerst bucht, bekommt zuerst 🙂 

Was sind deine Hoffnungen für die Zukunft?
Meine größte Hoffnung ist es, bald wieder mit meinen Fans feiern zu dürfen. Davon abgesehen wünsche ich allen Lesern und ihren Liebsten alle Gesundheit der Welt. Wir vergessen zu oft, dass es nicht selbstverständlich ist, jeden Morgen von seinem Wecker geweckt zu werden und gesund in die Arbeit fahren zu dürfen!

Möchtest du deinen Fans noch etwas sagen?
Bleibt stark! Haltet durch! Wir sehen uns bald wieder und feiern gemeinsam. Da bin ich mir ganz sicher. Kelly Clarkson meinte mal: What doesn’t kill you makes you stronger 😉 Nach dieser Krise kommen wir stronger den je zurück!

Unterstützen wir die Szene! Zu den Kanälen von DJ Golemo geht es hier:

Ihr kennt jemanden, der zu „Wir halten durch“ passen könnte? Mailt an: vanessa.licht@rasendereporterin.at oder füllt das Kontaktformular aus

Jänner 2021, Vanessa Licht

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