Kristof Grandits: „Wir halten durch“
Die aktuelle Situation zwingt Kunst und Kultur in die Knie. Um der Szene eine Plattform zu geben, bittet die rasende Reporterin Vanessa Licht DJs, Clubchefs und viele weitere zum Interview unter dem Motto „Wir halten durch“. Heute kommt Kristof Grandits zu Wort.
Kristof Grandits ist seit 2005 aktiv hinter dem DJ Pult zu finden, doch der Tausendsassa ist auch in der Eventplanung sowie in der Gastronomie und weiteren Bereichen als Fachmann bekannt. Es folgt ein äußerst spannender Talk, der sich zu lesen lohnt!
Wie frustrierend ist die aktuelle Situation?
Frustrierend ist vielleicht die falsche Bezeichnung, denn wir befinden uns, der Pandemie geschuldet, in einer Krise, die auch Opfer einfordert. Dementsprechend sind es fordernde Zeiten, die man einfach so hinnehmen muss, wie sie sind. Je mehr Widerstand man dem Ganzen entgegenbringt, umso mehr steigt das persönliche Frustrationslevel. Für mich ist die Arbeit mit Musik das absolut Größte auf Erden, aber dieses Opfer bringe ich ohne Wenn und Aber, da es um unser aller Gesundheit und Menschenleben geht und genau das gibt mir die Kraft, in dieser Situation durchzuhalten.
Das Thema des Interviews lautet „Wir halten durch“ – Wie hältst du durch?
Wir durchleben alle eine extreme Situation der Entbehrungen. Wenn man sich beruflich in der Veranstaltungsbranche bewegt, dann hat man sich irgendwann in seinem Leben bewusst für den unkonventionellen Weg des Freigeistes entschieden. Es geht also nicht nur um einen Job, den man vorerst nicht ausüben kann, es geht auch um die Liebe zur Musik, die man Abend für Abend mit seinem Publikum teilt. Es ist daher auch eine enorme Beschneidung der persönlichen Freiheit, für die man hart gekämpft hat und die einzige Möglichkeit, durchzuhalten, ist der Fokus auf die Hoffnung, dass es irgendwann Licht am Ende des Tunnels gibt, wo alles wieder so ist, wie es war.
Rechnest du damit, eines Tages wieder aufzulegen oder müssen die Fans bangen, dass du deine Karriere an den Nagel hängst?
Gerade zu diesem Thema habe ich im August einen sehr persönlichen Blogartikel unter dem Titel „Ohne Events hat mein Leben keinen Sinn!“ geschrieben. Kurzum gesagt, alles braucht seine Zeit und so eine Ausnahmesituation wie die Pandemie löst sich nicht einfach von heute auf morgen in Luft auf. Gewisse Maßnahmen braucht es einfach, aber das sind nur vorübergehende Lösungen – bis wir, Dank der Medizin, in der Lage sein werden, mit dem Virus zu leben, ohne dass Menschen unnötig in Gefahr gebracht werden. Würden wir nicht irgendwann zu dem Status gelangen, mit dem Virus zu leben, dann stirbt für mich auch alles, wofür ich die letzten 15 Jahre gelebt habe. Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, wie mein Leben wäre, wenn dieses nur noch aus einem Job zur Sicherung der Existenz besteht. Genau davor habe ich mich zeitlebens gewehrt und daher ist das Beenden meiner Tätigkeiten in der Veranstaltungsbranche keine Option.
Zum Blogbeitrag geht es hier: https://www.grandits.info/blog/eventsterben/
Wie hältst du dich aktuell über Wasser?
Am Anfang des letzten Jahres war noch mein größtes Problem, wie ich meinen neuen Job mit dem eigenen Technik Verleih, Veranstalten und Auftritten als DJ vereinbaren kann. Mit Ende Dezember 2019 habe ich nämlich mein Gewerbe als mobiler Gastronom stillgelegt, um einen Neustart mit dem veränderten Lebensmittelpunkt von Kärnten nach Wien zu wagen. Um für diesen Schritt abgesichert zu sein, habe ich mich bei den Österreichischen Bundesbahnen beworben, mit dem Fokus darauf, mich nebenbei in der Wiener DJ und Veranstalterszene zu etablieren. Seit knapp vor dem ersten Lockdown befinde ich mich jetzt in der Ausbildung zum Triebfahrzeugführer und niemals hätte ich es für möglich gehalten, dass dieser Job mein existenzieller Lebensretter sein wird, denn mich hätte es wirtschaftlich voll getroffen.
Ich bin auf der einen Seite enorm dankbar für diese glückliche Entwicklung und gleichzeitig fühle ich mit der kompletten Branche, denn ich war selber lange genug selbstständig, um zu wissen, wie hart es ist, ganz auf sich allein gestellt zu sein und dabei komplett im Stich gelassen zu werden.
Wie lange ist die aktuelle Situation noch für dich tragbar?
Aus wirtschaftlicher Sicht ist meine Existenz vorerst sicher. Psychisch durchlebe ich aber die schwerste Trennung meines Lebens und damit muss man auch lernen, umzugehen. Die Situation ist seit dem Beginn dieser Pandemie nicht tragbar, aber durch die menschliche Anpassungsfähigkeit, lernt man, damit zu leben und das Ganze auch als Chance zu sehen, sich persönlich weiterzuentwickeln.
Wie schlimm sieht es finanziell aus?
Diese Frage hat sich somit schon selbst beantwortet, aber dennoch möchte ich darauf hinweisen, dass ich während meiner Selbstständigkeit so gut wie jeden Cent in neues Equipment, Licht- bzw. Tontechnik, aber auch in eine mobile Gastronomie gesteckt habe. Das alles verstaubt nun seit fast einem Jahr im Lager und es ist eine absolute Verschwendung von Ressourcen. Eine Musikanlage hat den einzigen Zweck, aufgebaut zu werden, um den Leuten eine schöne Zeit zu schenken. Wenn man diese Thematik jetzt weiterspinnt, im Hinblick auf die ganzen Verleiher oder Betriebe da draußen, dann sollte einem bewusst werden, wie schlimm es generell finanziell ausschaut. Sterben diese Unternehmen aus, dann gibt es weder eine Szene noch Anlaufstellen und genau das passiert im Moment, während sich die meisten darüber beklagen, dass der Baumarkt weiterhin geschlossen bleibt. Es wird leider viel zu wenig auf die Veranstaltungsszene, den Tourismus und die davon zusätzlich betroffenen Branchen hingewiesen. Schlimm ist absolut kein Ausdruck dafür, was hier abgeht und bis auf die sogenannte Hochkultur, ist man auch nicht wichtig genug für die politischen Vertreter.
Könntest du dir vorstellen, in der jetzigen Situation eine Lösung zu finden, wie du unter Einhaltung der Sicherheitsvorkehrungen auflegen könntest?
Ich könnte es mir nicht nur vorstellen, denn ich war bereits vor dem Sommer letzten Jahres an vorderster Front, mit einer von mir erarbeiteten Lösung. Mit der Idee zu einem „Techno Picknick“ konnten alle von der Regierung geforderten Maßnahmen mit eingearbeitet werden. Fix zugewiesene Sitzplätze laut Verordnung für die Gastronomie, ein generelles Tanzverbot, das bewusst auf einen Dancefloor verzichtet, eine limitierte bzw. kontrollierbare Besucherzahl und auch ein größeres Sicherheitsteam, das für die Einhaltung der Maßnahmen ständig über das Open Air Gelände patrouilliert. Diese Idee wurde auch im Hintergrund komplett auf Schiene gebracht, während das Facebook Event dazu mit fast 13.000 Zusagen/Interessierten durch die Decke gegangen ist. Am Ende hat die Thematik zu sehr polarisiert, weshalb uns von behördlichen Seiten nahegelegt wurde, die Aktion abzublasen. Die Alternative wäre eine großangelegte Kontrolle gewesen, mit dem bewussten Ziel, dieses Event mit allen Mitteln abzudrehen. Wer die Veranstaltungsszene in Wien in Verbindung mit solchen Kontrollen kennt, der weiß, wie unangenehm so eine Situation werden kann – auch für den Besucher, der einfach eine schöne Zeit mit seinen Liebsten genießen möchte – gerade in Zeiten von Covid-19. Über diesen persönlichen Ansatz hinaus wurden genügend weitere – geniale – Lösungen erarbeitet und vorgelegt. Woran es scheitert, kann ich mir selbst nicht so ganz erklären.
Wer als Politiker Events unterstützt, bei denen laute Musik gespielt wird, hat sich noch nie so wirklich beliebt bei den potenziellen Wählern gemacht. Einzige Ausnahme sind sogenannte Feuerwehrfeste und Brauchtumsveranstaltungen. Schon vor Corona wurde systematisch alles abgewürgt und als gesellschaftlich unverstandene Subkultur, haben wir auch keine starke Vertretung, die etwas bewirken könnte (wie zum Beispiel bei den Skiliften…).
Trittst du bei online Stream-Events auf oder bist schon aufgetreten? Wie empfindest du solche Events?
Seit dem ersten Lockdown hatte ich einen einzigen Gastauftritt auf Brandnite TV. Ich fand die Aktion von Markus Enders wirklich großartig, ein Teil von einer Plattform zu werden, die sonst nur internationalen Top Playern vorbehalten ist. Darüber hinaus hatte ich keine weiteren Berührungen mit dem Thema. Ich sehe aber auch keinen Vibe darin, ein DJ Set vor einem virtuellen Publikum zu performen, denn ein gestreamtes Set kann niemals einen vollen Club ersetzen und man darf auch nicht vergessen, dass man dadurch seine eigene künstlerische Darbietung entwertet. Es gab eh schon immer das allseits beliebte Preisdumping für einen begehrten Job hinter dem DJ-Pult und damit werden die Bedingungen nur noch schlechter, wenn dir plötzlich jeder Bedroomdeejay seinen gefühlt tausend Mal gehörten Sound aufdrückt. In diese Form der künstlerischen Verwirklichung möchte ich mich nicht einreihen, abgesehen davon, dass es auch eine Verletzung des musikalischen Urheberrechts ist, weshalb man auf den gängigen Plattformen wie Facebook und Instagram ständig wegen „technischer Probleme“ abgewürgt wird. Die Musikverwertungsgesellschaften müssten hier eine legale Lösung für Produzenten, professionelle Discjockeys und Vertriebe anbieten und gleichzeitig bei einem Verstoß hart durchgreifen. Dann würde sich endlich die Spreu vom Weizen trennen und Streaming wäre um einiges interessanter für uns Künstler und in weiterer Folge auch für den Konsumenten. Zuletzt darf man auch nicht vergessen, dass alles was nichts kostet auch keinen Wert hat und gleichzeitig der kompletten Branche schadet, wenn niemand mehr bereit ist, zum Beispiel Eintritt oder angemessene Gage zu zahlen. Legal erworbene Musik, ein professionelles Equipment zur Aufzeichnung, aber auch zur Wiedergabe kostet einfach eine immense Stange an Geld und dennoch wird gestreamt, während von einigen Personen beklagt wird, dass sie mangels Auftritte nicht mehr in der Lage sind, Rechnungen zu begleichen. Positiv hervorheben möchte ich aber auch Personen wie Roman Weber (Interview lest ihr morgen), der letztes Jahr extrem aufwendige Videoproduktionen realisiert hat, wie auf einer Staumauer, im Bergwerk oder im Windpark. Der Markt für Videos von einer DJ Performance, egal ob live oder vorab aufgezeichnet, wurde lange vor Corona von Marken wie Boiler Room oder Cercle abgesteckt und definiert. Genau dieser gesetzte Maßstab sollte demnach auch das Ziel für eine professionelle Umsetzung sein, wenn nicht, dann lass es doch bitte!
Produzierst du selbst Songs, um in dieser Zeit aktiv zu bleiben?
Nicht jeder DJ ist automatisch auch Musikproduzent, also nein, wobei ich momentan auch nicht die Zeit dafür hätte, denn meine noch bis März dauernde Ausbildung nimmt mich mehr in Anspruch, als ursprünglich gedacht. Ich frage mich auch, ob es wirklich Sinn macht, einen Track in Zeiten zu veröffentlichen, wo die nicht virtuellen Abspielflächen dafür zur Gänze fehlen.
Wenn du nächstes Wochenende wieder auflegen dürftest, wo würde man dich finden?
Davon ausgehend, dass wir nächstes Wochenende angenehme 28 Grad im Sommer haben werden und ein risikofreies Veranstalten wieder möglich ist, dann sehen wir uns bei „Techno am See“, was ich seit 2015 organisiere. An keinem Ort wäre ich Moment lieber – als unter meinen Freunden und Stammgästen, aber auch geschätzten Kollegen, wo wir dann gemeinsam auf das Leben anstoßen und über diese Pandemie lachen werden…
Was sind deine Hoffnungen für die Zukunft?
Zu den bereits angesprochenen Hoffnungen ist es am wichtigsten, dass die Eventkultur nicht ausstirbt und Corona geschuldet einen größeren Zulauf erleben wird als in den letzten Jahren, wo sich das Angebot mangels Besucher immer mehr ausgedünnt hat. Diese Pandemie steht nicht nur für immense Entbehrungen, sondern auch für zahlreiche Chancen, die wir nur ergreifen müssen und sei es nur die Tatsache, dass man das Leben in vollen Zügen genießen und feiern sollte!
Möchtest du deinen Fans noch etwas sagen?
Ohne meine künstlerische Berechtigung anzweifeln zu wollen, würde ich nie das Wort Fans im Zusammenhang mit Menschen verwenden, die meine Arbeit lieben, wertschätzen oder feiern. Eine Veranstaltung oder ein DJ-Set ist etwas extrem Persönliches bzw. Intimes und jede Person, die mir die Chance gibt, sie oder ihn auf eine Reise mitzunehmen, wird in diesem Moment zu einem Freund. Im Kreise dieser Familie fühle ich mich wohl und es ist mein zweites Zuhause, wo ich einfach ich selbst sein kann. Gerade dieser musikalische Dialog mit dem Dancefloor gibt mir immens viel Kraft und darauf freue ich mich. Bis dahin bleibt g’sund und wir sehen uns hoffentlich bald wieder.
Unterstützen wir die Szene! Zu den Kanälen von Kristof Grandits geht es hier:
www.grandits.info
www.technopicknick.at
www.technoamsee.at
Jänner 2021, Vanessa Licht