„Psychotherapie sollte so selbstverständlich werden wie der Besuch beim Hausarzt“
Philipp Bantsich ist der Gründer des Psychotherapiezentrums Tulln, Psychotherapeut, Coach und auch Hypnotiseur. 2019 veröffentlichte er auch einen Online-Kurs gegen Panikattacken und hat das Ziel, Psychotherapie zu einem selbstverständlicheren Thema zu machen. Speziell in Zeiten wie diesen ist es wichtig, seine Probleme zu thematisieren und sich nicht davor zu fürchten. Der rasenden Reporterin Vanessa Licht stand er Rede und Antwort im Interview.
Psychotherapie wird vor allem in der aktuellen Situation ein immer größeres und wichtigeres Thema in der Gesellschaft – wieso wurde das Thema bisher in gewisser Weise tabuisiert?
Die wenigsten Menschen geben gerne zu, dass sie in Psychotherapie gehen. Die Gründe dafür sind zahlreich. Einerseits wird man als psychisch krank stigmatisiert, das heißt, man habe irgendwelche komischen Gedanken über sich und das Leben. In Wahrheit hat fast jeder diese komischen Gedanken. Wichtig zu wissen ist die Qualität und die Quantität dieser unangenehmen Gedanken. Auch heutzutage denken noch zu viele Leute, dass zur Therapie nur Irre und Verrückte gehen. Dem ist aber gar nicht so. Es sind ganz normale Menschen, wie du und ich! Die meisten Menschen wollen normal sein – sie wollen so sein, wie alle anderen. „Niemand“ will anders sein, denn anders ist komisch und wer komisch ist, der wird nicht gemocht. Es geht hier also um die Angst vor Ablehnung – darum wird dieses Thema tabuisiert und kaum unter Freunden besprochen!
Sollte Psychotherapie einen wichtigeren Stellenwert in der Gesellschaft erhalten?
Psychotherapie sollte so selbstverständlich werden wie ein Hausarzt. Jeder hat einen Hausarzt, Versicherungsvertreter und Bankberater. Diese Professionisten sind in unserer Gesellschaft fest verankert. Jeder Erwachsene sollte sich nicht davor scheuen, eine Psychotherapeuten aufzusuchen und dort intensiv an sich zu arbeiten, wenn er Beschwerden hat. Denn Schätzungen zu Folge sind über 80 Prozent der körperlichen Erkrankungen psychisch bedingt, wie zum Beispiel Rückenschmerzen, Migräne, Neurodermitis, Gastritits, Morbus Crohn – um nur einige zu nennen. Und wie sinnvoll wäre es es, dort nicht anzusetzen? Unsere Ängste, Zweifel, Sorgen, Wut, Trauer und Ärger – all das beeinflusst unser (er)Leben. Für mich persönlich gibt es nichts Wichtigeres als die eigene Gesundheit, denn erst, wenn man selber gesund ist, kann man auch für seine Liebsten sorgen!
Wie kann Psychotherapie zur Verbesserung der Lebensqualität – ergo der Psyche – beitragen?
Unser jetziges Leben ist das Ergebnis unserer bisherigen Handlungen. Unsere Handeln wird beeinflusst von unseren Gefühlen und diese wiederum von unseren Gedanken. Unsere Gedanken werden von unseren Regeln, Normen, Schemata und Glaubenssätzen beeinflusst. Hinter diesen meist unbewussten Annahmen über sich, das Leben und wie es so ist und sein soll, stecken dann auch noch persönliche Werte, die man vertritt und vertreten möchte! Meist beruhen psychische Erkrankungen einfach auf kranken Denkweisen. Mittels erfolgreicher Psychotherapie können diese identifiziert und verändert werden, sodass der Betroffene wieder zu alter Stärke zurückfindet oder es ihm aber auch noch besser als vorher geht.
Wie kam für dich persönlich dazu, dich mit Psychotherapie auseinanderzusetzen und in der Branche Fuß zu fassen?
Noch nie habe ich diese Frage öffentlich beantwortet, doch ich bin an einem Punkt angekommen, an dem ich bewusst anders bin, bewusst komisch bin. Durch erfolgreiche Therapie macht man sich von den Meinungen anderer unabhängig. Als ich so zirka 14 Jahre alt war, gab es einen Jungen in meiner Klasse- er hieß Lukas! Lukas war bei den Lehrern beliebt, war ein Top-Fußballspieler, hatte zahlreiche Freunde, schrieb Bestnoten, war selbstbewusst, hatte damals schon einen Sixpack und war bei den Mädels beliebt. Ich fragte mich: Wie kann es sein, dass jemand irgendwie alles hat (was ich mir damals wünschte) und andere bereits in diesem Alter an Depressionen leiden, nicht schlafen können und Angst haben, in die Schule zu gehen, weil sie gemobbt werden und sich nicht adäquat zur Wehr setzen? Wie kann ich wie Lukas werden? Nach einer „harten“ Lehre bei einem von Österreichs führenden Diskontern und der nicht erfüllenden Tätigkeit im Außendienst als Versicherungsvertreter sowie einem einschneidenden Erlebnis in meinem Leben, wusste ich: Ich muss etwas ändern! Was möchte ich? Was interessiert mich? Ich war sehr fasziniert von Menschen, die mit ihrem Geist und/oder Körper Menschen heilen konnten. Leute, die Außergewöhnliches vollbringen konnten. So etwas wollte ich machen! Mir wurde geraten, dass ich mir doch zuerst einen Grundberuf suchen sollte, weil ich mit 21 zu jung für sowas sei. Ziemlich genau zehn Jahre später, nach zahlreichen Aus- und Weiterbildungen, habe ich meine Gedanken und Gefühle so verändert, dass ich zu meinem eigenen Lukas geworden bin. Auf dem Weg dorthin habe ich bereits vier Unternehmen gegründet, drei Lehrlinge angestellt und gebe jungen Psychotherapeutinnen in Ausbildung die Chance, in meinem Unternehmen zu arbeiten und einen wichtigen Beitrag für die seelische Gesundheit anderer Menschen zu leisten.
Gibt es viele Menschen, die sich nicht trauen, Therapie in Anspruch zu nehmen, weil es ihnen unangenehm ist?
Ja genau. Es ist unangenehm, anzurufen, einen Termin zu vereinbaren, hinzufahren und sich dort vor einem fremden Menschen „auszuziehen“, denn gerade dann ist man besonders verletzlich. Viele denken aber auch nicht, dass das helfen kann. Die Leute, die zu mir kamen und nicht mehr gekommen sind – die hatten die Einstellung „reden bringt nichts“. Doch es ist eben nicht nur reden. Bei mir ist es zumindest nicht nur reden. Jetzt im Ernst, wenn du ein rechtliches Problem hast, zu wem gehst du? Wenn du finanzielle Schwierigkeiten hast, wo machst du dir einen Termin? Wenn du psychische Belastungen hast, warum denn dann nicht zum Psychotherapeuten gehen? In unserem Psychotherapiezentrum (www.psychotherapiezentrum.co.at) wurden alle anfänglichen Hürden bereits beseitigt. Bei uns brauchst du nicht anrufen- du kannst zu jeder Tages- und Nachtzeit online buchen, du musst nirgends hinfahren – wenn du willst, kannst du den Termin telefonisch oder per Videotelefonie abhalten. Du brauchst uns nur deinen schweren Ballast abladen und dich danach schon freier fühlen.
Merkst du, dass die Psyche und Psychotherapie seit der Corona-Pandemie öfter thematisiert werden?
Seit der Corona-Krise wird das Thema mehr in den Vordergrund gerückt. Oft werde ich gefragt – du musst ja jetzt das Geschäft deines Lebens haben oder? Durch die Isolation und gesetzliche Verbote vermindert sich bei vielen Leuten die Lebensqualität und dies wird auch in Medien aufgegriffen und wiedergegeben. Vor allem Kinder entwickeln rasch Krankheitssymptome. Darauf zu warten, bis sich die Symptomatik von alleine verbessert, kann hier der falsche Ansatz sein.
Gibt es seither einen Anstieg an Klienten oder eine Veränderung, die du damit in Verbindung bringen würdest?
Zu Beginn der Corona-Krise hat sich die Zahl der Menschen, die in Psychotherapie kamen, halbiert. Von den Übriggebliebenen kam eine Hälfte weiterhin persönlich und die andere wurde online weiterbetreut. Anfangs war ja kaum klar, was man darf und was nicht. Dieser Zustand hat sich sehr schnell verändert und es werden seither mehr Anfragen bei uns gestellt als vorher.
Was sind die gängigsten Themen, die heutzutage ausschlaggebend sind, mit einer Therapie zu beginnen?
Mein Spezialgebiet sind Panikattacken und Ängste, dafür habe ich einen Online-Videokurs entwickelt (www.panikattackentherapie.com). Viele Leute kommen aber auch in letzter Zeit vermehrt, weil sie mit Hypnose abnehmen oder mit dem Rauchen aufhören möchten. Bis jemand mit einer Depression kommt, dauert es meist etwas länger. Wenn man Schlafstörungen oder ein „gebrochenes Herz“ hat, kommt man rasch in Therapie und möchte dies meist auch schnell wieder weg haben, da der Leidensdruck sehr groß ist. Paare kommen meist erst dann in Therapie, wenn es schon fünf vor zwölf ist und einer der beiden die Trennung will.
www.psychotherapiezentrum.co.at
www.psychotherapietulln.at
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März 2021, Vanessa Licht