Kinderhilfswerk: „Anstieg an Suizidgedanken massiv“
Das Kinderhilfswerk in Wien ist eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche sowie deren Eltern und Erziehungsberechtigte, denn psychische Belastungen sollten ernst genommen werden. Mag. Dr. Brigitte Schimpl ist die Leiterin des Kinderhilfswerks und seit vielen Jahren Kinder- und Jugendtherapeutin: Die rasende Reporterin bat sie zum Interview.
Wie macht sich die aktuelle Situation bei Kindern bemerkbar, gibt es hier verstärkt Bedarf nach Therapie?
Das macht sich auf jeden Fall bemerkbar. Wir bemerken mehr Depressionen bei Kindern und Jugendlichen – auch Angststörungen sowie Essstörungen sind wesentlich mehr geworden. Wir haben 40 Prozent mehr Aufkommen in der Ambulanz als vorher. Auch ein Anstieg bei den Suizidgedanken ist massiv bemerkbar. Im Zuge dessen ist natürlich ein immens verstärkter Bedarf nach Therapie gegeben.
Wie wichtig ist es, in turbulenten Zeiten auch auf die psychischen Belastungen für Kinder und Jugendliche einzugehen?
Es ist unglaublich wichtig, denn die unangenehmen Zustände, denen die Kinder ausgesetzt sind, setzen sich natürlich fort und da brauchen sie einen Platz, um sich auszusprechen. Vor allem jetzt, wo die Freunde wegfallen – da bleiben Kinder oft auch zurückgezogen und viele gehen auch nicht mehr hinaus, selbst wenn sie es dürften. Wenn die Beziehung mit dem Therapeuten gut passt, kommen sie wenigstens zu uns. Bei Jugendlichen ist beispielsweise auch online Therapie möglich, wobei es uns immer lieber ist, dass sie zu uns kommen, damit sie wenigstens ein bisschen rauskommen.
Was sind aktuell die häufigsten Themen oder Gebiete, die Kinder und Jugendliche belasten?
Allen voran bei den Jugendlichen die Depressionen und Suizidgedanken – bei Kindern eher Ängste, Bei jugendlichen Essstörungen. Kinder und Jugendliche selbst sagen auch selbst, dass sie sich wünschen, dass Corona einfach weggeht. Dass man sich mit Freunden treffen kann und raus kann. Ein Kind hat beispielsweise gesagt, dass es gerne einmal wieder die Gesichter der Erwachsenen sehen würde, um zu sehen, ob sie lächeln oder traurig sind. Die Kinder wünschen sich Normalität, dass die Eltern weniger Sorgen haben und weniger gestresst sind. Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass es viel Gewalt in Familien gibt. Kinder sind psychisch sehr betroffen von der Pandemie. Es ist belastend, dass alles so wackelig ist – darf man in die Schule oder nicht? Kinder würden viel mehr Stabilität brauchen.
Das Kinderhilfswerk unterstützt Kinder und Jugendliche: Wie kann man sich an euch wenden?
Am besten ruft man bei uns an – unsere Mitarbeiterinnen notieren einmal alle wichtigen Fakten. Momentan haben wir 87 Therapeuten und wir schauen dann, welcher am besten passen würde. Der Therapeut meldet sich dann bei einem. Wir versuchen immer, dass wir so wenig Wartezeit wie möglich verstreichen lassen müssen und so viele Therapeuten da sind, wie benötigt werden.
Das Kinderhilfswerk hat einige wenige Kassenplätze, damit wir Eltern unterstützen können. Auch bei Flüchtlingskindern, die beispielsweise nicht versichert sind, springt das Kinderhilfswerk ein. Irgendwie schaffen wir es immer, allen zu helfen, die dringend Hilfe benötigen und das ist uns auch ein sehr wichtiges Herzensanliegen.
Wie können Eltern am besten damit umgehen, wenn ihr Kind psychisch belastet zu sein scheint?
Eltern sollten ihre Kinder bewusst ansprechen, wie es ihnen mit der Pandemie geht. Für dieses Gespräch sollte sich aber wirklich Zeit genommen werden. Im Zuge dessen kann man auch vorschlagen, mit jemand Neutralem zu sprechen – auch mit dem Hinweis, dass diese Person (Therapeut/in) auch Schweigepflicht hat.
Wie kann man das Kinderhilfswerk unterstützen?
Auf der Homepage gibt es viele Möglichkeiten, zu spenden. Wir freuen uns aber auch sehr über Sachspenden. Spiele, Spielzeug – das wird bei uns immer benötigt. Man kann auch direkt ein Kind unterstützen und deren Therapie beispielsweise übernehmen, also in Form von Bezahlung der Therapiestunden. Es sind die Unterstützer, die es möglich machen, dass unsere Wartelisten nicht zu lange sind – denn Kinder brauchen JETZT Hilfe.
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Dezember 2021, Vanessa Licht